Samstag, 21. Juni 2014

Heute und heute vor 75 Jahren

Heute vor 75 Jahren marschierten die Truppen General Francos nach fast dreijährigem Bürgerkrieg in Barcelona ein und legten damit den Grundstein zu einer mehr als 35-jährigen Diktatur, deren Terrorregime Katalonien vermutlich mehr als jede andere Region Spaniens erleiden musste. Um so erstaunlicher mag es klingen, dass im Jahre 2014, und zwar im Zusammenhang mit der aktuellen katalanischen Unabhängigkeitsdebatte, im spanischen Fernsehen ranghohe pensionierte Militärs sich wieder ungeniert und ungestraft Gedanken darüber machen, über welche Einfahrtsschneise sie dieses Mal Panzer ins Stadtzentrum Barcelonas rollen liessen. Und das nur, weil eine grosse Mehrheit des katalanischen Parlaments unlängst beschlossen hat, in einem Referendum die Bevölkerung über einen Weiterverbleib bei Spanien entscheiden zu lassen.
Angesichts solcher Exzesse haben pro-spanische Kreise, die in dieser Frage mit mehr politischem Fingerspitzengefühl agieren, grosse Hoffnungen auf dieses Wochenende gesetzt. Der spanische Ministerpräsident Rajoy und zahlreiche Minister hatten die Parteibasis zu einem Treffen nach Barcelona geladen. Die Wahl der katalanischen Hauptstadt wurde im Vorfeld dieser Zusammenkunft von vielen Politikbeobachtern als Signal gedeutet, dass Rajoy an Ort und Stelle die Gelegenheit nutzen wolle, der katalanischen Bevölkerung einen Verbleib bei Spanien schmackhaft zu machen. Alle Umfragen gehen nämlich davon aus, dass die Unentschlossenen bei dem für 9. November angesetzten Referendum das Zünglein an der Waage sein werden.

Diese Erwartungen sind aber bitter enttäuscht worden. “Solange ich Präsident bin,” polterte gestern Abend der spanische Ministerpräsident in seiner Abschlussrede, “wird in Katalonien kein Unabhängigkeits-Referendum stattfinden!” Und zum wiederholten Male kündigte er an, das mit allen Mitteln verhindern zu wollen. Statt Dialogbereitschaft wenigstens zu signalisieren, haben dieses Wochenende er und seine Getreuen noch mehr Öl ins Feuer gegossen. Allen voran Generalsekretärin María Dolores de Cospedal, die allen Ernstes erklärte, dass ihre Partei “die Zerschlagung
Spaniens mit Machetenhieben” nicht dulden werde. Was die PP-Parteistrategen nicht zu merken scheinen, ist allerdings die Tatsache, dass solch verbales Säbelrasseln dem Lager der Separatisten ungebremsten Zulauf beschert. Tatsächlich stecken Rajoy und die Seinen nämlich in einem ausweglosen Dilemma: Um von den Scharfmachern und Hetzern in einflussreichen spanischen Medien weiterhin geliebt zu werden, müssen sie die Vorurteile gegen Katalonien ständig neu befeuern - mit der Nebenwirkung, dass sich in Katalonien immer mehr Leute erschreckt von ihnen abwenden.
Im Gegensatz dazu hat vergangene Woche der katalanische Ministerpräsident Artur Mas in einem BBC-Interview den spanischen und den britischen Weg miteinander verglichen und sein spanisches Gegenüber dazu aufgefordert, der katalanischen Bevölkerung endlich zu
erklären, warum sie bei Spanien
bleiben solle, statt immer nur die rhetorische Keule zu schwingen und zu allen katalanischen Vorschlägen und Forderungen mantrahaft Nein zu sagen.
Wie auch immer, unabhängig davon, wie man zur katalanischen Frage stehen mag, kann man sich beim Ansehen dieses 6-minütigen Fernsehinterviews zumindest davon vergewissern, dass der Leibhaftige anders aussieht!

Hans Bösch

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