Dienstag, 24. Juni 2014

Spanische Justiz setzt katalanische SchuldirektorInnen massiv unter Druck

Man stelle sich folgenden Fall vor: Eine Schweizer Familie, wohnhaft in Zürich, zieht vor Gericht, weil sie erreichen möchte, dass ihre Kinder den Schulunterricht auf Französisch erhalten. Ihr Wunsch stieße vermutlich auf taube Richterohren, zumal es in der Schweiz die Kantone sind, die die jeweilige Unterrichtssprache festlegen, und zwar in der Regel die Amtssprache des Schulortes. Ein absurdes Ansinnen also, möchte man meinen.
Nicht so in Spanien, genauer gesagt in Katalonien. Aber der Reihe nach: Nachdem die katalanische Sprache während der fast 40 Jahre dauernden Franco-Diktatur im gesamten öffentlichen Leben, also auch an Kataloniens Schulen verboten war, sprach 1978 das spanische Parlament dem Katalanischen den Status der “landeseigenen Sprache Kataloniens, auch in allen schulischen Bereichen” zu. Katalanisch wurde damit zur Unterrichtssprache Kataloniens. In den vergangenen zwei Jahrzehnten entwickelte sich das katalanische Modell der sprachlichen Immersion, also des “Eintauchens” aller Schüler und Schülerinnen in die katalanische Sprache, zum wirkungsvollsten Werkzeug gesellschaftlicher Integration. Das katalanische Modell wurde denn auch 2008 von einer Expertenkommission des Europarates als vorbildlich bezeichnet. Kein Wunder also, dass dieses Modell den spanischen Fundamentalisten schon immer ein Dorn im Auge war.
So überraschte es wenig, als fünf Eltern in Barcelona, massiv unterstützt von einer resolut antikatalanischen Bürgerinitiative, mit der Forderung vor Gericht gingen, dass ihre Kinder in spanischer Sprache unterrichtet werden sollen. In diesem Zusammenhang muss man auch wissen, dass die Gerichte Kataloniens dem spanischen Staat unterstehen und die RichterInnen direkt von Madrid aus ernannt werden. In seinem Urteil hat der zuständige Richter in der Zwischenzeit verfügt, dass die Kinder der klagenden Eltern ein Recht darauf haben, mindestens 25% des Unterrichts - den Spanischunterricht nicht miteingerechnet – in spanischer Sprache zu erhalten. Dazu kommt noch, dass den DirektorInnen der betroffenen Schulen höchstpersönlich - nicht etwa der zuständigen Unterrichtsbehörde - ein Ultimatum gestellt wurde, innerhalb eines Monats diesen Gerichtsbeschluss an ihren Schulen umzusetzen und dem Gericht darüber Bericht zu erstatten.

Dass es der Justiz bei der Urteilsfindung wohl kaum darum gegangen ist, bei den SchülerInnen Kataloniens allfällige Spanischdefizite kompensieren zu wollen, beweist übrigens die Tatsache, dass sie bei den periodisch stattfindenden Leistungstests sogar immer leicht über dem Niveau jener SchülerInnen liegen, die in den ausschließlich spanischsprachigen Regionen zur Schule gehen.
Die zuständige katalanische Unterrichtsministerin Irene Rigau sieht hinter diesem Urteil denn auch politische Interessen und stellt dazu fest: “Es kann nicht sein, dass wegen acht von insgesamt 1,2 Millionen Schulkindern ein erfolgreiches Modell außer Kraft gesetzt wird.” Denn dieses Urteil bedeutet in der Praxis, dass diese Weisung in Kraft tritt, sobald die Eltern auch nur eines einzigen Kindes dieses Recht einfordern. Wahrlich ein demokratiepolitischer Geniestrei

Hans Bösch

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