Samstag, 5. Oktober 2013

Die Universität der UNO in Barcelona





Nach dem Öffnen der Türen im letzten März, und mitten im Prozess der Souveränitätsbestrebungen, haben die Vereinten Nationen entschieden, dass Barcelona der ideale Ort sei, um hier das Institut für Globalisierung, Kultur und Mobilität ihrer Universität (UNU-GCM) einzurichten. In diesem Zug ist vorgesehen, die Forschungsarbeit im Pavillon Sant Manel auf dem modernen Gelände vom Hospital Sant Pau zu beginnen.

Zur Erinnerung, Barcelona ist das einzige Bildungszentrum der UNO in Südeuropa und wird es somit auch bleiben. Mehr noch, Barcelona wird hiermit zu einem der weltweit 12 Standorte der Universität der UNO. Erneut wird die Stadt zum Sitz eines Instituts für Forschung und Investigation.
 
 
 

 

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Mittwoch, 2. Oktober 2013

Warum will Katalonien ein Referendum über die unabhängigkeit







 


Seit einiger Zeit berichten deutschsprachige Medien häufiger über Katalonien. Ein

Durchbruch war die große Demonstration vom 11.9.2012, die unter dem Motto

„Katalonien, ein neuer Staat in Europa“ stand, und an der wohl über eine Million der

Bürger des 7,6-Millionen-Volkes teilnahm. Berichtet wurde auch über die

katalanischen Wahlen vom Herbst 2012. Denn eine überwältigende Mehrheit von

Abgeordneten verschiedener Fraktionen aus Regierung und Opposition setzt sich

nun dafür ein, dem katalanischen Volk das Recht zuzugestehen, die Frage nach der

Unabhängigkeit selbst zu entscheiden (dret a decidir). Auch für die Unabhängigkeit

selbst gäbe es eine absolute Mehrheit im Parlament. Während die britische

Regierung den Schotten das Entscheidungsrecht einräumte und daher 2014 dort ein

Referendum stattfinden wird, dessen Fragestellung und Zeitpunkt zwischen den

Regierungen verhandelt worden sind, ist die spanische Regierung zu einem solchen

Zugeständnis bisher aber nicht bereit.



Deutschsprachige Medien vergleichen Katalonien nicht nur mit Schottland, sondern

auch mit Flandern, Bayern und Südtirol. Häufig sprechen sie von

rückwärtsgewandter Folklore, aber auch von unzeitgemäßem nationalistischem

Egoismus, sogar von Wohlstandschauvinismus.






Ist Katalonien wirklich auf dem Weg in die Unabhängigkeit? Woher kommt eine so

breite Mehrheit für das dret a decidir? Geht es um nationalen, um ökonomischen

Egoismus, oder um Demokratie? Wird es ein Referendum geben, und wäre ein

unabhängiges Katalonien überhaupt lebensfähig?





1. Auf dem Weg zur Unabhängigkeit?

Im Januar 2013 veröffentlichten die katalanischen Medien die Ergebnisse einer

Umfrage des katalanischen öffentlichen Meinungsforschungsinstituts Centre

d’Estudis d‘Opinió. Gefragt, ob Katalonien in den nächsten Jahren ein unabhängiger

Staat in Europa werden sollte, befürworteten 49% der Befragten diese Option,

weitere 19% waren eher dafür. Wichtiger noch: 89% waren bereit, das Resultat

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eines Referendums zu dieser Frage auch zu akzeptieren! Die spanische Regierung

wehrt sich dagegen, eine solche Befragung zu veranstalten - die überwältigende

Mehrheit der Katalanen dagegen hält unabhängig von der Position in der Sache ein

solches Verfahren ganz offensichtlich für legitim.







Nach einer Wahlkampagne, die trotz der Wirtschaftskrise vor allem um das dret a

decidir kreiste, wurden mit einer Rekordwahlbeteiligung nun 74 Abgeordnete von

Parteien gewählt, die in einem Referendum für die Unabhängigkeit mobilisieren

würden. Weitere Mitglieder, vor allem Grüne und einige Sozialisten, sind ebenfalls

für das Recht auf Entscheidung als demokratisches Recht, unabhängig von ihrer

Position zur Unabhängigkeit. Eine das Recht einfordernde Resolution wurde mit 85

gegen 41 Stimmen bei 2 Enthaltungen verabschiedet.





Parteiunabhängige Organisationen der katalanischen Zivilgesellschaft wie die

Katalanische Nationalversammlung und Òmnium Cultural beweisen immer wieder,

dass sie in der Lage sind, hunderttausende, vielleicht auch mehr als eine Million

Katalanen für das Recht auf Selbstentscheidung zu mobilisieren.





2. Das Scheitern der Alternativen

Das war nicht immer so. Lange Zeit suchten die Katalanen, ja selbst die

katalanischen Nationalisten, nur nach „spanischen“ Lösungen. Schon die erste

erfolgreiche katalanistische Partei, die 1901 gegründete Lliga versuchte es mit

Regionalismus. Die Mehrheitspartei Kataloniens in der zweiten spanischen

Republik, die Esquerra Republicana de Catalunya (Republikanische Linke

Kataloniens), heute nach Sitzen die zweitstärkste Fraktion im katalanischen

Parlament, hatte ein föderalistisches Programm, bevor sie sich 1992 für

„Unabhängigkeit in Europa“ erklärte. 1976 entstand Convergència Democràtica de

Catalunya, heute mit der kleineren Unió Democràtica de Catalunya

zusammengeschlossen zur Convergència i Unió (Konvergenz und Union, CiU). Ihr

Führer Jordi Pujol lenkte die Geschicke Kataloniens zwischen 1980 und 2003 als

Regierungschef und versuchte in ständigen Verhandlungen mit Madrid, die 1979

gewährte Autonomie des Landes zu erweitern. Heute dagegen unterstützt er ein

Referendum, und er würde persönlich für die Unabhängigkeit stimmen. Artur Mas,

heute Präsident einer CiU-Minderheitsregierung, die das Entscheidungsrecht

fordert, versuchte noch 2006, ein besseres Autonomiestatut zu erreichen.

Auch in der Gesellschaft dominierten lange die autonomistischen und

föderalistischen Positionen. Doch nun, in der 10. Legislaturperiode des

katalanischen Parlaments, halten die Katalanen mehrheitlich ihr Volk für

„erwachsen“ genug, selbst über seine Zukunft zu entscheiden. Zugleich wächst die

Zahl der Befürworter der Unabhängigkeit – was nicht heißt, dass diese auf fremde

Kosten erreicht werden soll.





Das Wachsen des „independentisme“ geschah erst langsam, sein Durchbruch zu

einer die Massen mobilisierenden Alternative hängt mit dem Scheitern eines neuen

Autonomiestatuts zusammen, welches das katalanische Parlament mit einer

Mehrheit von fast 90% 2005 auf Einladung des spanischen Regierungschefs in

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Madrid vorgeschlagen hatte. Spanien ist kein Bundesstaat – ein Autonomiestatut ist

ein spanisches Gesetz. So wurde der Entwurf im spanischen Parlament verwässert,

dann schließlich aber im Jahr 2006 den Katalanen zur Ratifikation vorgelegt. Die

Volksabstimmung sanktionierte den neuen Text bei allerdings geringer Beteiligung

mit einer klaren Mehrheit von 74%. Das spanische Verfassungsgericht hat nach

langer Beratung 2010 gegen die wichtigsten Artikel dieses Statuts entschieden.

Nach Auffassung vieler Katalanen verhielt sich der Zentralstaat nicht loyal mit seiner

Autonomen Gemeinschaft Katalonien, und gar das Gericht verstieß als

nachgeordneter Letztentscheider gegen das Demokratieprinzip. Auf dem Wege der

paktierten Statuts- oder Verfassungsreform scheint es keinen Weg zu einer

Verwandlung Spaniens in einen (plurinationalen) Bundestaat mehr zu geben.

Spanien ist kein Bundesstaat wie die Bundesrepublik, die Schweiz oder Österreich.

Spaniens zweite Kammer ist politisch nur von geringer Bedeutung, auf die

Besetzung des Verfassungsgerichts haben die Autonomen Gemeinschaften

Spaniens keinen Einfluss. Diese haben auch keinen Staatscharakter, sie sind

vielmehr nur Teile des spanischen Staates. Die spanische Verfassung von 1978

erkennt keine andere Nation außer der spanischen an. Sie ermöglicht aber einige

Selbstverwaltung und im inneren Gebrauch konnte die katalanische Sprache einen

offiziellen Status erhalten.





Der Autonomiestaat erweckte auch in Katalonien lange den Eindruck, flexibel genug

zu sein, um auf dem Verhandlungswege eine erweiterte nationale Anerkennung und

eine gerechtere Finanzverteilung zu ermöglichen. Das Urteil des von der Volkspartei

und einigen sozialistischen Politikern angerufenen Verfassungsgerichts hat gezeigt,

dass diese Flexibilität nur eine scheinbare war. Die Mißachtung der erreichten

Verhandlungslösung und sogar des demokratischen Entscheids des katalanischen

Volkes haben die katalanische Zivilgesellschaft mobilisiert und den

„independentisme“ gefördert. Das Urteil überzeugte viele davon, dass eine

Anerkennung der katalanischen Nation und eine Verwandlung Spaniens in einem

Bundesstaat unerreichbar sind. Es scheint nun gerechtfertigt, dass die katalanische

Bevölkerung selbst darüber entscheidet, ob angesichts dieser Situation nun der

Weg der Unabhängigkeit beschritten werden soll.





Viele liberale Sezessionsexperten sehen die Entscheidung über die Trennung ein

grundsätzliches Recht, das nur im Einzelfall beschränkt werden kann. Der

amerikanische Sezessionsexperte Allen Buchanan vertritt dagegen eine sehr

restriktive Auffassung der gerechtfertigten Gründe für eine Sezession. Doch auch er

sieht in Spaniens wiederholter Verweigerung von erweiterten Autonomielösungen

einen möglichen Rechtfertigungsgrund für eine Trennung. In Katalonien ist das

Gefühl, alles (natürlich ausser der Gewalt) versucht zu haben, aber immer wieder

gegen die Wand zu laufen, sehr stark. Es wird ergänzt durch die Erfahrung von

ungerechter Behandlung im spanischen Staat.





3. Die Rolle von Wirtschaft und Kultur

In Katalonien erwirtschaftet 16% der spanischen Bevölkerung etwa ein Fünftel des

Bruttoinlandsprodukts (BIP) und ist für ein Viertel der Exporte verantwortlich. Ein

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ungerechtes Finanzsystem sorgt aber jedes Jahr für einen Nettoverlust von 7-9%

des katalanischen BIP; die Mittel kommen anderen, reichen und armen, Teilen des

spanischen Staats zugute. Der negative Saldo ist vor allem auf eine

unterdurchschnittliche Investition des Staates in die katalanische Infrastruktur

zurück zu führen. Madrids Flughafen, seine Eisenbahnverbindungen und seine

Autobahnen wurden unter hohem Aufwand von Steuergeldern modernisiert.

Barcelona und Valencia verbindet noch immer eine teilweise einspurige Eisenbahn.

Die Vernachlässigung der Infrastruktur schadet der katalanischen

Wettbewerbsfähigkeit. Dennoch ist Katalonien nach BIP immer noch ca. auf Rang 5

in Spanien – als Nettozahler dagegen liegt es mit an der Spitze, bei der

Ausgabefähigkeit pro Kopf dann eher am Ende (ca. Rang 10). Da die Rangfolge

nach Steuereinnahmen nicht respektiert wird, kann Katalonien weniger pro

Einwohner ausgeben als andere Autonome Gemeinschaften. Davon sind besonders

die Bürger betroffen, die auf die öffentlichen Schulen und die

Gesundheitsversorgung angewiesen sind, da sie sich private Anbieter nicht leisten

können.





Bestimmungen des Statuts von 2006, das diese aus katalanischer Sicht ungerechte

Behandlung korrigiere sollte, wurden vom spanischen Verfassungsgericht außer

Kraft gesetzt bzw. von der spanischen Regierung nicht eingehalten. Versuche, ein

neues, gerechteres Steuerregime auszuhandeln, scheiterten letztmalig im Jahre

2012. Heute erhält Katalonien von der spanischen Regierung Kredite zur

Finanzierung seines Defizits. Abgeführte Steuermittel fließen so zurück – aber

gegen Zinsen.





Allen Katalanen ist klar, dass auch nach einer etwaigen Mehrheit für die

Unabhängigkeit Verhandlungen mit der spanischen Regierung notwendig sind, um

die Activa und Passiva des spanischen Staats zu verteilen – aber dann

gleichberechtigt. Auch die für die Unabhängigkeit eintretenden Kräfte sind sich

bewusst, dass sich das Land weiter an der Rückzahlung der spanischen

Staatsschulden beteiligen muss.





Der spanische Staat hat die Finanzkraft der Katalanen stets und im Übermaß

benutzt. Dieser „Solidarität“ hat er aber auf der anderen Seite nie etwa durch die

Anerkennung der katalanischen Nation oder der Gleichberechtigung ihrer Sprache

entsprochen. Die Sprache, wichtiges Element der katalanischen Identität, kann

weiterhin in den spanischen Institutionen nicht gleichberechtigt verwendet werden.

In Katalonien dagegen ist auch die spanische Sprache offiziell. Die Rolle dieser

Weltsprache steht in der Diskussion um das Recht auf Entscheidung nicht zur

Debatte. Selbst für die Unabhängigkeit eintretende Kräfte verwenden auch das

Spanische. Der Versuch, im Statut von 2006 beide Sprachen in Katalonien bei

Rechten und Pflichten endgültig gleichzustellen, scheiterte am Verfassungsgericht.

Dagegen stellt die gegenwärtige spanische Regierung (manchmal mit Unterstützung

der obersten Gerichte) die Verwendung der katalanischen Sprache als

Unterrichtssprache (immersió) für alle Kinder, eine Maßnahme, die die

Beherrschung beider Sprachen sichern soll, nun wieder in Frage.





Während von den katalanischen Bürgern ökonomische Solidarität in einem Maße

eingefordert wird, das den Erfolg der katalanischen Wirtschaft in Frage stellt und

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besonders die auf öffentliche Dienstleistungen angewiesenen Katalanen schlechter

stellt, gibt es auf der anderen Seite keine nationale Anerkennung, und die

katalanische Sprache bleibt auf einen regionalen Rang verwiesen.





4. Gibt es ein Referendum?

Doch der lauter werdende Ruf nach einem Referendum über die Unabhängigkeit

kann nicht nur durch diese ja schon historischen Faktoren erklärt werden. Diese

Faktoren haben im Verein mit dem Scheitern des Statuts vielmehr in Katalonien

neue Energien geweckt. Während das Gericht zwischen 2006 und 2010 noch über

die Verfassungsmäßigkeit des Statuts beriet, mobilisierte sich die katalanische

Zivilgesellschaft. In rechtlich unwirksamen „Referenden“ in etwa der Hälfte der

katalanischen Gemeinden äußerten sich 2009-2011 8-900000 Bürger (jeder vierte

Wahlberechtigte) zur Frage eines verbindlichen Referendums über die

Unabhängigkeit, und zwar fast ausschließlich positiv. Dabei durften nicht nur 16-18

jährige noch nicht wahlberechtigte Katalanen, sondern auch gemeldete Ausländer

teilnehmen, auch wenn dies die Wahlbeteiligung senkte. Dies war ein wichtiges

Zeichen: weder Sprache noch ethnische Herkunft sollten von der Beteiligung am

Entscheidungsprozess ausschließen. Selbst die für die Unabhängigkeit eintretende

Kräfte wenden sich an Katalanen jeder Herkunft, Abstammung und Sprache. Offene

Grenzen, auch die Möglichkeit der Doppelstaatsangehörigkeit in einem

unabhängigen Katalonien stehen in Aussicht. Die Aufbruchstimmung in der

Zivilgesellschaft wirkte ansteckend. Neue Bewegungen und junge, für

demokratische Partizipation eintretende Kräfte entstanden innerhalb und außerhalb

der Parteien.





Trotz aller Signale von Nichtdiskriminierung, Verhandlungsbereitschaft und dem

angesichts der katalanischen Geschichte selbstverständlichen Gewaltverzicht

verweigert Spanien die demokratische Abstimmung und besteht darauf, dass

letztlich nur die gesamte Bevölkerung, die in den (wie auch anderswo) durch

dynastische Heiraten und Kriege zustande gekommenen Staatsgrenzen lebt, zur

Ausübung der Demokratie berechtigt sei. Spanien verhält sich hier anders als

Großbritannien oder Kanada. Während im Vereinigten Königreich die Anerkennung

Schottlands als Nation nie in Frage stand, was die Zulassung eines Referendums

für 2014 erleichterte, und während es in Quebec schon zweimal zu vergleichbaren

Abstimmungen über die Zukunft dieses Landes im kanadischen Bundesstaat kam,

ohne dass die Bundesregierung dagegen einschritt, erkennt Spanien die Existenz

eines katalanischen Volkes nicht an und versagt bisher die Erlaubnis zu einem

Referendum.





Das katalanische Parlament hat im März dieses Jahres die Regierung aufgefordert,

im Dialog mit der spanischen Regierung dahin zu wirken, eine Abstimmung über die

Zukunft Kataloniens zu ermöglichen.1 Am 26.7. ersuchte der katalanische

Regierungschef Artur Mas daraufhin den spanischen Ministerpräsidenten Rajoy

formell um die Aufnahme von Verhandlungen, um die Voraussetzungen einer

Volksabstimmung in Katalonien zu schaffen. Die spanische Regierung hat dies

1 Von 135 Abgeordneten stimmten nur 28 dagegen (3 Enthaltungen).

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immer abgelehnt. Statt Verhandlungsbereitschaft zu zeigen, kam es wiederholt zu

Drohungen, etwa mit der Abschaffung der Autonomie oder mit polizeilichen oder

gesetzlichen Maßnahmen, falls katalanische Institutionen eventuell auf eigener

Rechtsgrundlage das Volk zur Unabhängigkeit befragen. Daher wird nun diskutiert,

ob nicht die Unmöglichkeit der demokratischen Willensäußerung des katalanischen

Volkes in einem verlässlichen Referendum am Ende nur die Möglichkeit offen lässt,

in Katalonien Neuwahlen mit plebiszitärem Charakter und zum alleinigen Thema der

Unabhängigkeit einzuberufen, und bei entsprechender Mehrheit dann

gegebenenfalls die Unabhängigkeit zu verkünden.

5. Zur Lebensfähigkeit eines unabhängigen Kataloniens

Ein unabhängiges Katalonien wäre kein Mini-, sondern ein Mittelstaat in Europa.

Geographisch wäre es vergleichbar etwa mit der Schweiz, Belgien, Dänemark, den

Niederlanden oder der Slowakei, und es überträfe einiger dieser Staaten an

Einwohnerzahl. Das Katalanische hat mehr Sprecher als viele der offiziellen EUSprachen,

und das katalanische Pro-Kopf-Einkommen liegt über dem europäischen

Mittel. Vielfach wird behauptet, Katalonien würde im Falle der Unabhängigkeit aus

der EU ausgeschlossen. Die EU-Verträge sehen zwar den Austritt, nicht aber den

Ausschluss eines Landes vor. Die Katalanen sind seit 1986 EU-Bürger, Katalonien

erfüllt und erweitert seitdem den gemeinschaftlichen Besitzstand (acquis

communautaire) und lässt sich also nicht mit einem Beitrittskandidaten vergleichen,

der sich erst hinten an stellen müsste. Die katalanische Bevölkerung steht der

europäischen Einigung und ihrer Intensivierung positiver gegenüber als die meisten

Völker der Mitgliedsstaaten. Nur schwer kann man sich vorstellen, dass man den

Katalanen den europäischen Pass entziehen und den physischen und juristischen

Personen in Katalonien die in der EU erworbenen Rechte wegnehmen kann, wenn

die Bürger dort doch bereit und fähig sind, die damit verbundenen Pflichten zu

erfüllen; Katalonien wäre übrigens (im Gegensatz zum Rest Spaniens) Nettozahler.

Wohl nur wenige (Spanien eingeschlossen) hätten angesichts der geographischen

und internationalen Lage ein Interesse, Katalonien gegen seinen Willen aus dem

Euro auszuschließen, falls dies rechtlich möglich ginge. Auch die über 4000

internationalen Unternehmen (darunter ca. 570 deutschen) in Katalonien haben

Interesse an weiter bestehenden offenen Grenzen und einer gemeinsamen

Währung. Wichtige multinationale Unternehmen haben sich jedenfalls bisher von

der katalanischen Forderung eines dret a decidir mit dem möglichen Ergebnis der

Unabhängigkeit nicht davon abschrecken lassen, weiter in Katalonien zu

investieren, zumal wichtige Infrastrukturmaßnahmen wie der Verkehrskorridor

entlang des Mittelmeers von einer Unabhängigkeit sicher profitieren würden.

An der langfristigen ökonomischen Lebensfähigkeit eines unabhängigen

Kataloniens bestehen selbst im Falle einer zur Regelung der zukünftigen

Repräsentanz Kataloniens in den EU-Institutionen eventuell notwendigen

Übergangslösung im Verhältnis zur EU (bspw. analog der Situation Norwegens oder

der Schweiz) keine Zweifel, trotz des kurzfristig in Spanien zu erwartenden Boykotts

katalanischer Waren (es wäre nicht der erste). Schon jetzt ist der spanische Markt

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auch aufgrund der Krise dabei, seine einst überwältigende Bedeutung für die

katalanische Wirtschaft immer mehr zu verlieren.







6. Einige Bemerkungen zum Schluss

Nach den Erfahrungen einiger Balkanstaaten ist es verständlich, auch den

demokratischen Wunsch nach Unabhängigkeit erst einmal kritisch auf seine

möglichen Auswirkungen zu untersuchen. Doch die europäische Geschichte kennt

auch friedliche Sezessionen. Norwegen trennte sich 1905 friedlich von Schweden,

Island 1944 von Dänemark, Tschechen und Slowaken entschieden 1993

einvernehmlich sich zu trennen, und handelten die Bedingungen aus. 2006 trennte

sich Montenegro nach Volksabstimmung von Serbien. In diesen Fällen gab es meist

funktionierende Selbstverwaltungsorgane und Vielparteiensysteme. Diese

Bedingungen gibt es auch in Spanien, und die weitere Mitgliedschaft in der EU mit

ihren offenen Grenzen könnte unmittelbar negative Auswirkungen einer Trennung

minimieren helfen.





Man kann sicherlich kaum behaupten, dass die Unabhängigkeit neuer Staaten in

Europa schlechthin die Menschenrechts- oder Minderheitssituation verschlechtert.

Man denke an Belgien (1831), Norwegen (1905), Finnland (1917), Irland (1922/44),

aber dies gilt auch für die baltischen Staaten (1990), Slowenien, Kroatien und

Makedonien (1991) und selbst Bosnien-Herzegowina (1992) und auch für

Montenegro (2006). Fälle wie Belarus können hier kaum angeführt werden, da im

Vorgängerstaat (UdSSR) die Menschenrechte auch nicht respektiert wurden.

Spanien, das doch stolz auf seinen Übergang zur Demokratie ist, sollte sich dem

Wunsch nach einer Abstimmung über die Zukunft Kataloniens nicht länger

verschließen, und im Falle einer Mehrheit für die Unabhängigkeit in Verhandlungen

über diese eintreten.





Das Urteil des Verfassungsgerichts aus dem Jahr 2010 hat gezeigt, dass Spaniens

Verfassung für die Verwandlung in einen plurinationalen Bundesstaat nicht zur

Verfügung steht. Auf katalanischer Seite hat dies zu einem „Erwachsenenwerden“

der Gesellschaft beigetragen. Die Unabhängigkeit erscheint vielen nun plausibler,

auch legitimer als die Autonomie, die Abstimmung über diese Alternative erscheint

als demokratischer als Reformen des Statuts, die nachher einseitig wieder

einkassiert werden. Nach langen Jahren einer unbestimmten nationalen Zukunft hat

die katalanische Zivilgesellschaft nun ein mögliches Ziel, das mobilisierend wirkt und

die Bürgerbeteiligung verbessern kann. Es geht nicht mehr in erster Linie um die

Verteidigung einer in der Vergangenheit geformten Identität, sondern um

demokratische Selbstbestimmung und eine gemeinsame Zukunft. Der Wunsch nach

einer Abstimmung, die ja die Anerkennung eines katalanischen „demos“ bedeutet,

sollte nicht erschrecken, sondern als positive Entwicklung zu mehr und einer

qualitativ besseren Demokratie verstanden werden.





* Klaus-Jürgen Nagel ist Professor für Politikwissenschaft an der

Pompeu Fabra Universität in Barcelona

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Sonntag, 29. September 2013

Die Francisco Franco Stiftung verlangt einen Staatsstreich


Diese Einrichtung  betrachtet  die  Verfassung von 78 als militärische Schutzmassnahme für den Fall  , das der Zusammenhalt  Spaniens in Gefahr gerät .

Die  Nationale- Francisco- Franco (FNFF)- Stifung  brachte einen Artikel  mit  der  Überschrift  “Das Militär kann nicht weiterhin vor dem  Abdriften Spaniens in die Hände von Mafias und Verrätern  schweigen , und verlangt ausdrücklich  einen Staatsstreich , um so die territoriale  Einheit und Zusammengehörigkeit  Spaniens  zu sichern .” Dieser Text, unterschrieben von dem ultrarechten Journalisten Enrique de Diego , bezieht sich auf einen  Artikel in der  Alerta Digital Zeitschrift.

Dieser Text richtet sich  direkt an das spanische Militär: ”Die Streitkräfte sind verpflichtet,  die Einheit Spaniens zu verteidigen , und die  Macht zu ergreifen.  Es ist für alle eine  grundsätzliche  Verpflichtung , mehr noch , eine hohe Ehre : Die Streitkräfte schulden es vor allem dem spanischen Staat “.

Der Artikel verliert keine Zeit des Definierens: Die Separatisten sind totalitär und Imperialisten, verlangen mehr und mehr Gebiete Spaniens. Navarra , die Etarras . Valencia und die Balearen gehören der CiU ( katalanische nationale Partei ) und der ERC ( Linke Nationale Partei )  .

Bezüglich der 78er Verfassung  sind sie der Überzeugung, dass nur  die Streitkräfte die territorial Einheit verteidigen können  und sollen  - vor der Verfassung steht die Nation. 

Beim  Öffnen ihrer Website sieht man in Buchstaben grossen Formats ein Zitat von José-Antonio Primo de Rivera (Gründer der faschischtische Partei 'Falange'): ” Wir lieben das spanische Katalonien , und da wir Katalonien so schätzen , wollen wir es immer mehr spanisch.

Diese Stiftung ist eine legale spanische Einrichtung ,   wird als uneigennützig und kulturell betrachtet . Die Spenden , die  diese Einrichtung jährlich  erhält ,  beläuft sich auf ungefähr   25 bis 35 % der Einkommenssteuer .

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Donnerstag, 26. September 2013

Richtigste​llung von Informatio​nen im Artikel "Der katalanisc​he Weg" vom 12.9.2013

Sehr geehrter Herr Chefredakteur, sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe den Artikel vom 12. September„Der katalanische Weg” von Ihrem Auslandskorrespondenten in Madrid, Herr Leo Wieland, gelesen und schreibe Ihnen, um meine Konsternation über die mangelhafte Qualität der in diesem Artikel enthaltenen Informationen auszudrücken, unwürdig für eine so prestigereiche Zeitung wie die FAZ.
Herr Wieland stellt Informationen aus dem tiefsten spanisch-nationalistischen Sektor stammend als Tatsachen dar, ohne sie zu überprüfen. Zudem fügt er unnötige Kommentare hinzu, die von geringer Objektivität in Bezug auf dieses Thema zeugen, zum Beispiel wenn er schreibt „...die Separatisten (die) nach eigener Zählung mehr als eine Million Sympathisanten mobilisieren konnten”. Die „Separatisten” haben weder eine Zählung durchgeführt noch eine Zahl zur Beteiligung an der katalanischen Menschenkette veröffentlicht. Es waren der katalanische Innenminister und der Polizeipräsident der Stadt Barcelona, die die Zahl von 1,5 Millionen Teilnehmern an der Massendemonstration 2012 und von 1,6 Millionen Teilnehmern[1] am Katalanischen Weg 2013 angegeben hatten.
Ein weiteres Beispiel für eine Fehlinformation ist, als Herr Wieland erklärt, dass die Europäische Kommission gesagt hätte, dass Katalonien im Falle einer Trennung von Spanien aus der EU ausgeschlossen werden würde. Die Europäische Kommission und ihr Präsident, José Manuel Barroso, haben stets bestätigt, dass sie sich diesbezüglich nicht äußern wird, solange kein ausdrücklicher Antrag eines Mitgliedstaates vorläge.[2] Es hat lediglich Meinungsäußerungen von einigen Sprechern der Kommission gegeben, die zum Teil widersprüchlich zueinander waren,[3] [4]und es gibt momentan mehrere Studien, die bestätigen, dass dieses Thema in keiner Weise geklärt ist.[5] [6] [7]
Auch stellt Herr Wieland Fehlinformationen bzw. partielle Informationen als richtig dar, die zutiefst nationalistische Medien Spaniens veröffentlichen, um dem Ansehen der katalanischen Regierung zu schaden. Zum Beispiel, wenn er schreibt: „Die Region (...) brauchte in den spanischen Krisenjahren bisher allein nahezu dreißig Milliarden Euro staatlicher Zuschüsse, um den Bankrott abzuwenden” und dass trotz dieser Situation die Regierung von Artur Mas „noch nicht wirklich zum Sparen gezwungen” sei und dass „... kontinuierlich Hunderte Millionen Euro für die katalanische Selbstdarstellung (...) ausg(eg)eben (werden) – etwa für ‚Botschaften’, Rundfunk und Fernsehen”. An erster Stelle sollte erwähnt werden, dass Katalonien 9,073 Milliarden Euro (2013) und 5,44 Milliarden Euro (2012)[8]aus dem Autonomienfinanzfont (Fondo de Liquidez Autonómico (FLA)[9]) beantragt hatte und nicht die von Herrn Wieland genannten 30 Milliarden Euro. An zweiter Stelle sollte beachtet werden, dass die Differenz zwischen den von Katalonien an Spanien gezahlten Steuereinnahmen[10] und den Steuergeldern, die Katalonien wieder zurückbekommt, rund -16 Milliarden Euro pro Jahr[11] beträgt. Aus diesem Grund kann man zweifelsfrei sagen, dass die 9,073 Milliarden für das Jahr 2013 und die 5,44 Milliarden Euro für 2012 zu den Steuergeldern gehören, die die Katalanen an Madrid abgeben, aber die nie zurückfließen. Zudem schreibt Herr Wieland, dass Katalonien „einst der wirtschaftliche Motor Spaniens war und jetzt am Rande der Insolvenz steht” ohne die Gründe dafür zu erklären. Es bedarf keiner großen Vorstellungskraft, um zu sehen, dass ein jährliches Steuerdefizit von mehr als 16 Milliarden Euro, das 8-9 % des katalanischen BIP ausmacht, zwangsläufig zum Ruin führen muss.[12] [13]
Und die „Hunderte Millionen Euro”, von denen Herr Wieland behauptet (ohne eine konkrete Zahl zu nennen), dass sie Ausgaben dienen, die er offensichtlich für unnötig hält, fallen in Wirklichkeit nur sehr wenig ins Gewicht. In Bezug auf Fernsehen und Rundfunk machten sie 0,87 % des Etats der katalanischen Regierung[14]aus. Die Ausgaben aller angeblichen ‚Botschaften’ Kataloniens betrugen im Jahre 2012 1,1 Millionen Euro[15]. Dies ist eine verschwindend geringe Zahl, wenn man sie allein mit den Ausgaben des spanischen Botschafters in Tokio für die Dekoration und die Möbel seiner offiziellen Residenz vergleicht: 560.000,00 Euro[16]. Oder mit den 259.539,88 Euro, die für Möbel für das spanische Generalkonsulats in New York[17]ausgegeben worden sind oder die 1.770.040,36 Euro, die der spanische Botschafter in London für den Bau von „Wohnungen für Diplomaten”[18]bezahlt hat, oder einfach mit den Kosten für die Residenz des spanischen Botschafters in Rabat: 5.951.377,94 Euro[19]oder Jordanien: 4.849.428,91 Euro[20]. Außerdem sollte klargestellt werden, dass es sich in keiner Weise um katalanische Botschaften handelt, sondern um Repräsentanzen der katalanischen Regierung, um Katalonien sowohl auf kulturellem wie auch wirtschaftlichem Gebiet in den fünf wichtigsten Städten der Welt bekannt zu machen: London, New York, Berlin, Brüssel und Paris[21].
Zum Schluss sollte angemerkt werden, dass es von mangelnder journalistischer Professionalität zeugt, wenn von den fünf Fragen, die eine Nachricht beantworten sollte (Was, Wer, Wie, Wann und Wo) die Frage Wer?, Wer hat den Katalanischen Weg organisiert? in dem Artikel nicht beantwortet wird. Herr Wieland äußert sich mit dem folgenden Satz dazu: „Die Menschenkette war ein weiterer Versuch von Mas die Zentralregierung (...) zusätzlich unter Druck zu setzen”. Damit gibt er zu verstehen, dass der Organisator des Katalanischen Weges der Präsident der katalanischen Regierung, Artur Mas, sei. Diese Fehlinformation ist journalistisch betrachtet wirklich bedauernswert. Die Vereinigung, die den Katalanischen Weg organisiert hat, ist die ANC, l’Assemblea Nacional de Catalunya (Nationale Versammlung für Katalonien),[22]eine transversale Bewegung, die keiner Partei angehört und die zur Organisation des Katalanischen Weges 30.000 Freiwillige mobilisiert hatte. Die Absicht der ANC besteht nicht darin, die Zentralregierung unter Druck zu setzen, sondern die katalanische Regierung, damit diese alle ihr zur Verfügung stehenden friedlichen und demokratischen Mittel nutzt, um das Referendum zur Selbstbestimmung durchzuführen.
Hiermit bitte ich Sie darum, dass die FAZ mehr Sorgfalt in Bezug auf die Veröffentlichung von Artikeln mit Fehlinformationen und nicht überprüften Informationen, die letztlich zum Sprachrohr der spanisch-nationalistischen Propaganda werden, aufbringt. Und bitte suchen Sie einen Auslandskorrespondenten in Barcelona oder konsultieren Sie Diplocat[23], bevor Sie aus Madrid stammende Informationen veröffentlichen, um sich objektiver über die Ereignisse in Katalonien informieren zu können.
Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
Manuel Bargalló i Alabart, Karlsruhe




[15]http://www15.gencat.cat/ecofin_wpres12/pdf/ED_PR11.pdf(226.0019 Delegacions, oficines i missions exteriors)

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Mittwoch, 25. September 2013

Das staatliche fernsehen uberträgt erneut die tierquälerei des stierkampfes in den stunden, in denen kinder diese tierquälerei mitansehen kónne

Morgen, am 1. September wird TVE (das öffentliche spanische Fernsehen) wiederum den Stierkampf übertragen zu einer Zeit in der auch Kinder dieses schändliche Schauspiel mitansehen können, nachdem man während 7 Jahren den Kinderschutz respektiert hatte. Darüberhinaus will die spanische Regierung den Stierkampf als Kulturgut (BIC) deklarieren und schützen.


Der Stierkampf ist nicht nur eine unwürdige und grausame Tradition, die den Kindern zeigt, wie man an der Tierquälerei teilnimmt und sie duldet, nein, der Stierkampf bringt dem Staat keinen Gewinn. Wir erinnern dass ERC (Esquerra Republicana de Catalunya) darauf hingewiesen und angeklagt hat, dass der Stierkampf jährlich mit 700Millionen Euros subventioniert wird, ein Betrag, der dem Budget für Gesundheit und Erziehung fehlt. 


Viele Menschen protestieren gegen diese erneute Übertragung des Stierkampfes und benutzen Twitter hashtag #TveSinToros

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Montag, 23. September 2013

“Eine Bereicherung und ein Zeichen von der Vielfalt Europas”


Nach Berücksichtigung des Änderungsantrags des Eu-Abgeordneten Ramon Tremosa, hatder Kultur- und Bildungausschuss des Europaparlamentseinen Bericht verabschiedet, in dem die Europäische Kommission inständig aufgefordert wird, das Erlernen von bedrohten Minderheitssprachen – zu denen Katalanisch gehört – bereits ab den ersten Lehrjahren zu fördern.
In dem Bericht wird weiterhin die Mehrsprachigkeit als “eine Bereicherung und ein Zeichen der Vielfalt Europas” herausgestellt. Darum sollten bedrohten Sprachen dringend Mittel für den Zeitraum 2014-2020 zur Verfügung gestellt werden. Gut zusammenhaltende, mehrsprachige Gesellschaften fördern die demokratischen Grundsätze nachhaltig – so der Bericht – und leisten einen wichtigen Beitrag zur Pluralität. Ausserdem mache die sprachliche Vielfalt die Gesellschaft offener und rüste sie, um das Allgemeinwohl zu fördern.

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Donnerstag, 19. September 2013

Interview mit Help Catalonia in der Handelszeitung

Ist ein von Spanien autonomes Katalonien überhaupt überlebensfähig? Der Ökonom und Unabhängigkeitsbefürworter Àlex Furest (Mitglied der katalonischen Unabhängigkeitsbewegung Help Catalonia) sagt klar: Ja. Die katalanische Wirtschaft werde gar richtig aufblühen.




Millionen Menschen demonstrierten gestern für die Unabhängigkeit Kataloniens. Warum gerade jetzt?


Àlex Furest*: Katalonien wartet seit dem Ende der Diktatur vor 35 Jahren, um aus Spanien einen modernen, angenehmen Staat zu machen in dem die Katalanen voll respektiert leben können - aus kultureller, sprachlicher und politischer Sicht. Darauf arbeiten die katalanischen Politiker seit 150 Jahren hin, seit der ersten Republik 1873. Doch es blieb immer ein Unverständnis von Seiten der Spanier. Das 2006 ausgehandelte Autonomiestatut wurde dann im spanischen Parlament und dann vom Verfassungsgericht verwässert. Die Folge ist ein wachsender Frust bei den Katalanen. Die Wirtschaftskrise verstärkte dieses Gefühl.



Wie stark wurde die Provinz durch die spanische Krise getroffen?


Die Folgen sind schmerzhaft. Es gingen viele Stellen verloren und viele Unternehmen gingen pleite. Die Budgetkürzungen in Madrid führten zu einer Finanzierungslücke bei der katalanischen Regierung. Daher musste sie bei Gesundheit und Bildung sparen. Das führt zu sozialen Spannungen.



Machen gewisse Leute dafür auch die Zentralregierung in Madrid verantwortlich?

Es gibt einen Konsens, dass die Zentralregierung in Madrid die Krise in Katalonien verschlimmerte. Hinzu kommt, dass gemäss Berechnungen unserer Regierung seit 1986 rund 250 Milliarden Euro nach Madrid flossen - ohne grossen Gegenwert. Damit wurden unter anderem völlig überrissene Infrastrukturprojekte finanziert, wie etwa Hochgeschwindigkeits-Bahnlinien an Orten ohne wirkliche Nachfrage herrscht. Da gibt es mitunter Bahnhöfe, bei denen im Schnitt zwei Personen pro Monat ein- und aussteigen. Oder es wurden 44 Flughäfen für eine Bevölkerung von 47 Millionen gebaut. Deutschland hat 17 Airports für 85 Millionen. Oder das riesige spanische Autobahnnetz, auf dem vielerorts fast keine Autos unterwegs sind - das ist Irsinn!



Ein grosser Markt für katalonische Firmen ist jedoch Spanien. Risikieren Sie nicht, Aufträge zu verlieren?


Es gibt eine seriöse Studie von zwei katalanischen Ökonomen dazu. Sie fanden heraus, dass die Folgen eines allfälligen Boykotts Spaniens durch das Wegfallen der Überweisungen nach Madrid aufgewogen würden. Man muss zudem sehen, dass sich solche Boykotte normalerweise auf den Konsum auswirken und nicht den industriellen Handel. Es würde also nicht zu einer Katastrophe kommen, wie viele Befürworter des Verbleibs bei Spanien postulieren.



Was würde denn ein unabhängiges Katalonien wirtschaftlich bringen?


Katalonien hat ein Bruttoinlandprodukt von 200 Milliarden Euro. Das ist nicht wenig. Wenn wir die Überweisungen nach Madrid stoppen, dann können wir in die Infrastruktur investieren und zu einem Land wie Dänemark und Österreich werden.



Aber ist die Bewegung nicht ein Stück weit egoistisch? Am Ende profitierten Spanien und Katalonien doch gegenseitig voneinander.


Katalonien wurde seit jeher ausgenutzt. Das geht ganz lange zurück. Die Regierung in Barcelona muss seit Jahrhunderten hohe Steuern nach Madrid abliefern. Doch einen richtigen Gegenwert erhielt sie nie. Das Geld versickerte in unrentablen Investitionen. Das sieht man schon daran, dass trotz Finanzausgleich Regionen wie Andalusien oder die Extremadura noch heute eine Arbeitslosigkeit von 35 bis 40 Prozent aufweisen. Die Folge für die Katalanen: Die katalanische Regierung hat zuwenig Geld und viele Bürger müssen ihre Gesundheitsversorgung und Bildung selber zahlen.


*Àlex Furest ist Ökonom und Mitglied der katalonischen Unabhängigkeitsbewegung Help Catalonia.

Quelle: http://www.handelszeitung.ch/politik/madrid-verschlimmerte-die-krise-katalonien-495583

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