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Salvo von den Kölschen Libertariern und Herr Pujol
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von Salvatore Genovese und Moritz Gillmair
Am Donnerstag, dem 22. Mai 2014 fand im Excelsior Hotel Ernst in Köln die Veranstaltung mit dem Titel „Quo vadis Katalonien?“ organisiert vom Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Köln – Barcelona e.V. sowie vom Kölner Presseclub statt.
Die Vorrede hielt Professor Tilbert Dídac Stegmann, Professor für Romanistik und Experte für Katalanistik. Ehrengast war der ehemalige und langjährige Präsident der Autonomen Region Kataloniens, Jordí Pujol i Soley, der für einige Tage über die katalanische Frage in Bonn und Köln referierte.
Bei der Einführung in die Frage nach der Unabhängigkeit Kataloniens beleuchtete Herr Stegemann das Thema aus verschiedenen Perspektiven.Er verglich die Situation zwischen Spanien und Katalonien mit einer möglichen Trennung letzteren, als Scheidung einer Ehe. Wenn in einer Ehe, einer der Parteien nicht mehr mit dem anderen Zusammenleben möchte, so entscheidet ein Gericht darüber und scheidet die Ehe. Dadurch kann für beide Seiten Neutralität hergestellt werden oder sogar Frieden geschlossen werden.
Im Falle Kataloniens und Spaniens bedeutet, dass Katalonien gewillt ist sich friedlich zu trennen, wohingegen Spanien sich auf die Verfassung beruft, insbesondere auf das jakobinische Prinzip der Unteilbarkeit welches in der Verfassung festgelegt ist. Falls der katalanische Volksentscheid positiv ausfällt, würde Spanien lediglich übrig bleiben das Resultat zu akzeptieren.
Der Vorredner erwähnte auch historische Daten, die die geschichtlichen Gründe Kataloniens für seine Unabhängigkeitsbestrebungen deutlich machten.
Im Jahr 1714 wurde die Region Katalonien durch Spanien unterworfen und annektiert.
Die Diktatur Francos und der damit folgende Zentralismus hat die Eigenheiten der katalanische Kultur und Sprache versucht aus zu löschen.
Im Jahre 1978 mit der Etablierung der jungen Demokratie, aber blieb aus katalanischer Sicht ein Damoklesschwert über Spanien. Der militärische Putschversuch im Februar 1981 machte dies deutlich.
Die Tücken der institutionellen Architektur wurden mit der Bezeichnung café para todos getauft. Ein Föderalismus am Beispiel Deutschlands oder Österreichs mit dem Länderprinzip hätten in einer Föderation durch den geschichtlichen Ursprung in Spanien, Galizien, Baskenland und Katalonien strukturiert werden müssen. Jedoch ist man eher einem französischen Modell mit Departments gefolgt, welche die jakobinische Vorherrschaft Madrids zementierte. Man hat schlicht und ergreifend den Dezentralisierungsgedanken genau gegenteilig umgesetzt. Katalonien wurde seiner Autonomie beraubt, sowie nicht als Partner auf Augenhöhe anerkannt. Im Gegenteil zum Baskenland, welches über eine starke steuerliche Autonomie verfügt.
Um auf den Ehevergleich zurückzukommen: der spanische Ehemann sagt seiner katalanischen Frau: „du hast kein Recht dich von mir zu trennen. Du überschätzt deine Freiheit. Deine Freiheit ist begrenzt.“ Einmal verheiratet gibt es keinen Weg zurück. So etwas hatte früher die katholische Kirche vertreten. Auf die Situation übertragen übernimmt diese Rolle die spanische Verfassung. Wie bereits erwähnt, die Katalanen sind kein Partner auf Augenhöhe. Man behauptet Katalonien ist keine Nation wie Spanien, deshalb verhandelt man nicht.
Katalanen widersprechen vehement den Gegnern ihrer Bestrebung, die auf Selbstbestimmung abzielt. Schließlich erfüllt Katalonien durch eine eigene Sprache und Kultur die Aspekte, welche oft als Kriterien für eine Nation angeführt werden. Darüber hinaus sehen Katalanen sogar mehr Nachteile als Teil Spaniens zu gehören und streben an endlich wieder selbstbestimmt handeln zu dürfen, neue Wege zu gehen und ein Teil der europäischen Gemeinschaft zu werden.
Seiner Einschätzung nach sind die Katalanen an einem fortschrittlichen Punkt angelangt, an dem es für sie kein Zurück mehr gibt, ohne die eigene Würde zu verlieren. Professor Stegmann unterstreicht, dass immer mehr Katalanen von dieser Idee überzeugt sind.
Er beendet seine Ausführungen nicht ohne Absicht die Frage der Unabhängigkeit Kataloniens mit einer Scheidung als Vergleich ausgewählt zu haben. Er betont es gibt gewaltige Unterschiede hinsichtlich dieses Konflikts. Spanien argumentiert mit juristischen Argumentationen, die zur Folge haben, dass die Katalanen nicht als Partner angesehen werden und man Verhandlungen ablehnt.
Zudem gibt es einen Unterschied: Mann und Frau haben beide einen gleichberichtigten Zugang zu einem Richter. Der Zugang bei Spanien und Katalonien steht dabei diametral gegenüber.
In Jordí Pujol Vortrag, in er circa 90 Minuten referierte, sprach dabei über verschiedene Themen. Im Folgenden soll ein Bild über das wesentliche gezeichnet werden. Die wichtigsten Themen waren dabei hauptsächlich die Unabhängigkeit Kataloniens, Beziehungen und Fragen mit Spanien sowie zur Europäischen Union.
Pujol begann damit seinen eigenen politischen Weg zu beschreiben. Seit dem 28. Lebensjahr bis zum Jahr 2000 war er gegen die Unabhängigkeit von Katalonien. (Die Entwicklung kann man in seinem Buch nachlesen „Residuals o independents? Quan es trenquen els ponts“) Wie kam es zum Umschwung seiner Idee, hin zum Sezessionismus?
Jordí Pujol erklärte hierzu: Seit der Demokratisierung 1978, waren die Katalanen heilfroh, dass sie die Diktatur unter Franco überlebt hatten. Sie standen zur Verfügung als man ein gemeinsames spanisches Projekt zur Konsolidierung verabschiedete, welches nicht nur demokratisch war, sondern auch sozial und wirtschaftlich. Pujol unterstreicht dieses Argument des Öfteren mit einem gewissen Stolz, das Katalonien seinen Beitrag dazu geleistet hat. (Dabei kommen Bedenken auf, was Spanien zu Katalonien beigetragen hat, wenn man davon sprechen kann.)
Nichtsdestotrotz stand Katalonien zur Verfügung auch um Spanien als multikulturellen Staat am Leben zu erhalten. Pujol erinnert zeitgleich daran, dass die letzte Krise Spaniens, im katalanischen Empfinden besonders eingeprägt hat. In den letzten Jahren hat sich die Lage für Katalonien verschlechtert, weil immer weniger die Entscheidungen aus Madrid geteilt werden. Einer der Gründe ist die zwanghafte „Solidarität“ Kataloniens mit Spanien, da Katalonien durch den spanischen Finanzausgleich für eine steuerliche Umverteilung sorgt, die circa 8% des BIP Kataloniens ausmacht und einer Summe von circa 16 Milliarden Euro entspricht. Laut Pujol ist zudem seit 2003 die politische Einstellung zunehmend antikatalanisch geprägt in Spanien. Einer der Schlüsselereignisse ist die die Entscheidung des spanischen Verfassungsgerichts von 2010, was die bereits beschlossene sowie neuverhandelte Autonomie und Besänftigung des Konflikts, zu Fall brachte. ( „Drohen zwischen Katalonien und Spanien belgische Zustände?“ http://www.heise.de/tp/artikel/32/32925/1.html)
Über Europa und über die EU, beschreibt sich Jordí Pujol selbst als „europäischen Patrioten“ und erklärte ebenfalls, dass als Spanien 1985 in die EWG eintrat die Katalanen am meisten pro-europäisch und wohlwollend gegenüber des Integrationsprozesses auf dem europäischen Kontinent waren. Während dessen stand der Rest des Landes diesem Projekt eher halbherzig gegenüber. Er stellt aber fest, dass die Bilanz für Katalonien negativ sei. (Genauer äußert er sich in diesem Interview mit der Deutschen Welle in Spanisch: http://www.jordipujol.cat/ca/cejp/articles/15488, S. 6)
Zum Referendum über die Unabhängigkeit, welches am 9. November diesen Jahres stattfinden soll, erklärt er, dass die politischen Parteien, die die Unabhängigkeit Kataloniens fordern, dieses unbesorgt durchsetzen können, da es weder gegen die Verfassung noch gegen das Recht verstößt. Das „Ja“ würde bei der Wahl letztlich obsiegen.
Zu guter Letzt schließt er mit drei Abschlussanmerkungen:
Erstens: Katalonien hat die Fähigkeit Menschen mit Immigrationshintergrund zu integrieren. Die Integration ist eine vitale Kraft. Katalonien hatte stets ein Land , welches große Einwanderungsströme hatte und praktiziert de facto das ius soli statt ius sanguinisi.
Jeder der Katalane sein will, kann es ohne jegliche Probleme werden. Katalonien ist ein dynamisches Land, mit einem natürlichen Empfinden für Unabhängigkeit, die nicht nur finanziellen und wirtschaftlichen Ursprung haben, sondern auch eine kulturelle Identität, die offen ist.
Zweitens: Pujol fürchtet, dass die Erinnerung an die Vergangenheit insbesondere als das Sprechen von katalanisch verfolgt wurde in Zukunft vergessen werden wird. Deshalb soll man zum jetzigen Zeitpunkt fortschreiten und für die Unabhängigkeit kämpfen, sodass der Freiheitsstreben nicht verloren geht.
Drittens und letztlich gäbe es laut Pujol nur drei Institutionen in Spanien, die wirklich funktionieren. Dazu zählt er Polizei, Guardia Civil und das Militär. Beim Militär betont er jedoch, dass dieses weitgehend nicht mehr politisch agiert.
Weitere Links zur Information:
„Geschichte Kataloniens und der Katalanischen Länder“: http://www.uni-frankfurt.de/44860878/Katalanische_Geschichte?
Situation in Katalonien: http://www.anc-deutschland.cat/?p=577
„Pujol duelliert sich mit Beck“: http://www.general-anzeiger-bonn.de/thema/europawahl/Pujol-duelliert-sich-mit-Beck-Poettering-stellt-Buch-vor-article1355393.html?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.de%2F&fromt=yes
„Dimensionen der europäischen Integration – zwischen Separatismus, Populismus und Regionalismus“ http://www.bapp-bonn.de/veranstaltungen/378-dimensionen-der-europaeischen-integration